Beschlossen! Das Gesetz zur Einführung eines Lobbyregisters

Transparenz im Rahmen der Interessenvertretung

Seit Jahren wird darüber gestritten, wie viel Transparenz es bei der Interessenvertretung sein darf? Immer wieder gab es Anläufe für eine gesetzliche Regelung. Doch für eine Umsetzung fehlte es an der Entschlossenheit.

Doch jetzt haben die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD am 12. März 2021 den Entwurf eines „Gesetzes zur Einführung eines Lobbyregisters beim Deutschen Bundestag und zur Änderung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (Lobbyregistergesetz)“ vorgelegt.

Zeitlich steht der Entwurf in engem Zusammenhang mit dem auch moralisch fragwürdigen Verhalten einiger Abgeordneter bei der Beschaffung von Mund- und Atemschutzmasken. Staatsanwaltschaften ermitteln dazu nicht nur auf der Bundesebene, sondern auch auf der Ebene der Bundesländer. Auch in anderen Themengebieten flammen in jüngster Vergangenheit immer wieder Vorgänge auf, in denen Abgeordnete irritierende Rollen einnehmen. Ob es um die Imagepolitur für Aserbaidschan geht oder um die Nebentätigkeit eines jungen Bundestagsabgeordneten für eine internationale Beratungsagentur, für die auch ein ehemaliger Bundesverteidigungsminister bereits tätig ist.

Sind das Ausnahmen? Oder ist all dies nur die Spitze eines Eisberges? Zweifelsohne ist der Zeitpunkt gekommen, wo nicht nur aus rechtlichen, sondern auch aus moralischen Erwägungen die Spielregeln der politischen Interessenvertretung auf den Prüfstand gehören.

Dass dies nicht ganz freiwillig erfolgt, lässt aufhorchen. Wieder ist es die negative Publizität und das zusehends schwindende Vertrauen in die Politik, was den Druck auf die politischen Akteure so erhöht, dass sie nun zum Handeln gezwungen waren. Dabei hatten neben der SPD auch die Oppositionsparteien FDP, Linke und Grüne sowie nicht staatliche Organisationen bereits seit langem ein Lobbyregister gefordert. Selbst der Europarat hatte die Bundesrepublik wegen dem Umgang mit Interessenvertretungen kritisiert.

Im Sommer 2020 hatten sich Union und SPD bereits grundsätzlich auf die Einführung eines verbindlichen Lobbyregisters geeinigt. Auslöser war damals der Fall des CDU-Politikers Philipp Amthor, der für ein US-Unternehmen lobbyierte und im Gegenzug Aktienoptionen erhalten hatte.

Doch bis zu dem jetzt vorgelegten Gesetzesentwurf war es dann noch ein langer Weg. Strittig waren vor allem der sogenannte exekutive „Fußabdruck“ und die Frage, ab welcher administrativen Ebene eine Eintragungspflicht gelten soll, wenn jemand bei der Bundesregierung lobbyiert.

Lobbying – ein Teil unserer pluralistischen Gesellschaft

Sahra Wagenknecht lässt sich gerne zitieren, dass „immer mehr Menschen das Gefühl haben, in einem Land zu leben, in dem politische Entscheidungen käuflich sind und die Verantwortlichen sich eher an den Wünschen zahlungskräftiger Lobbys als an den Interessen normaler Bürger orientieren.“

Doch da verkennt sie das Grundelement einer pluralistischen Gesellschaft und das Wesen unserer Demokratie. Das Parlament ist nicht nur der Ort, an dem sich gewählte Abgeordnete austauschen, sondern auch der Ort, an dem Interessenvertreter aus der gesamten Gesellschaft und damit auch der Wirtschaft für ihre Anliegen werben sollen und aktiv Interessenvertretung, mithin Lobbyismus betreiben. Gerade bei komplexen und zum Teil überaus schwierigen Sachverhalten bedarf es der Expertise von Nichtregierungsorganisationen, Wirtschafts- und Sozialverbänden, Kirchen und Gewerkschaften. Lobbying ist ein wichtiger und legitimer Bestandteil von Demokratie. Dabei versuchen Lobbyisten, im Sinne ihrer eigenen Interessen oder der ihrer Klientel beratend auf Gesetzgebungsvorhaben einzuwirken. Das erfolgt in öffentlichen Anhörungen, zu denen Interessengruppen eingeladen werden, aber auch abseits der Öffentlichkeit. Von daher ist Lobbyismus nicht per se schlecht, sondern ein wichtiger Garant für das Funktionieren unseres Staates. Und das muss auch offen so gelebt und kommuniziert werden.

Deutschland bekommt ein Lobbyregister

Zentraler Punkt des Gesetzesentwurfs ist die Eintragung von Interessenvertretern/innen in ein Register, d.h. es wird eine Registrierungspflicht eingeführt und zwar im Hinblick auf die Interessenvertretung.

Im Anwendungsbereich des Gesetzes wird definiert, was unter dem Begriff Interessenvertretung zu verstehen ist. Es handelt sich um „jede Kontaktaufnahme zum Zweck der unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahme auf den Willensbildungs- und Entscheidungsprozess gegenüber den Organen, Mitgliedern, Fraktionen oder Gruppen des Deutschen Bundestages“. Erfasst sind auch die Entscheidungsprozesse der Bundesregierung. Die Regelungen für die Bundesregierung gelten ebenfalls für die Parlamentarischen Staatssekretäre/innen, die Abteilungsleiter/innen sowie die Unterabteilungsleiter/innen.

Registrierungspflicht

Die Registrierungspflicht gilt für alle natürlichen und juristischen Personen, Personengesellschaften oder sonstigen Organisationen, wenn

  1. die Interessenvertretung regelmäßig betrieben wird,
  2. die Interessenvertretung auf Dauer angelegt ist,
  3. die Interessenvertretung geschäftsmäßig für Dritte betrieben wird oder
  4. innerhalb der jeweils letzten drei Monate mehr als 50 unterschiedliche Interessenvertretungskontakte aufgenommen wurden.

Ausgenommen von der Registrierungspflicht sind Interessenvertreterinnen oder Interessenvertreter u.a. wenn und soweit sie

  • natürliche Personen sind, die mit ihrer Eingabe ausschließlich persönliche Interessen formulieren, unabhängig davon, ob es sich zugleich um unternehmerische oder sonstigen Interessen handelt,
  • Anliegen von ausschließlich lokalem Charakter geltend machen, soweit nicht mehr als zwei Wahlkreise unmittelbar betroffen sind,
  • eine Petition nach Artikel 17 Grundgesetz einreichen,
  • an öffentlichen Anhörungen der Ausschüsse, öffentlichen Kongressen oder anderen öffentlichen Veranstaltungen der Organe, Mitglieder, Fraktionen oder Gruppen des Deutschen Bundestages teilnehmen,
  • direkten oder individuellen Ersuchen der Organe, Mitglieder, Fraktionen oder Gruppen des Deutschen Bundestages teilnehmen,
  • direkten und individuellen Ersuchen um Sachinformationen, Daten oder Sachinformationen nachkommen,
  • ein öffentliches Amt oder Mandat wahrnehmen,
  • als Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerverband Einfluss auf Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen nehmen,
  • Rechtsberatung erbringen,
  • als politische Parteien nach dem Parteiengesetz tätig werden,
  • als Einrichtungen zur gesellschaftspolitischen und demokratischen Bildungsarbeiten (politische Stiftungen) tätig werden,
  • als Mittlerorganisationen der auswertigen Kultur-und Bildungspolitik tätig werden, institutionell gefördert mit Mitteln des Bundeshaushalts,
  • als Kirche, Religionsgemeinschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft tätig werden,
  • als kommunaler Spitzenverband auf Bundes- oder Weltanschauungsgemeinschaft tätig sind.

 

Ferner müssen sich Interessenvertreter/innen nicht eintragen lassen, wenn und soweit sie Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetz geltend machen, eine Bürgeranfrage stellen, an Besuchsprogrammen, Vorträgen, Konferenzen und sonstigen öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen, als Sachverständigenräte und sonstige Experten berufen sind, diplomatische und konsularische Tätigkeiten wahrnehmen und auf direktes und individuelles Ersuchen der Bundesregierung tätig werden. Eine freiwillige Registrierung ist möglich.

Registerinhalt,- einrichtung und -führung

Für das Register müssen bestimmte Informationen bereitgestellt werden wie der Name, das Geburtsdatum und der Geburtsort sowie die Anschrift. Bei Organisationen sind die jeweilige Organisation, die Mitgliederzahl und die Mitgliedschaften zu nennen ebenso wie der Interessen- und Vorhabenbereich sowie die Beschreibung der Tätigkeit, die Anzahl der Beschäftigten, die jährlichen Aufwendungen im Bereich der Interessenvertretung, Angaben zu einzelnen Zuwendungen und Zuschüssen der öffentlichen Hand sowie Schenkungen Dritter mit Namen, Firma oder Bezeichnung, Wohnort oder Sitz des Schenkers sowie eine kurze Beschreibung der Leistung.

Das Lobbyregister wird elektronisch beim Deutschen Bundestag eingerichtet und geführt. Eine Aktualisierung ist jährlich vorgeschrieben. Eine Nichteinhaltung kann mit einem Bußgeld bis zu € 50.000 geahndet werden.

Integre Interessenvertretung

Nach dem Lobbyregistergesetz darf die Interessenvertretung nur auf der Basis von Offenheit, Transparenz, Ehrlichkeit und Integrität stattfinden. Was das im Einzelnen bedeutet, geht nicht aus dem Gesetz hervor. Dort heißt es lediglich, dass der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung unter Beteiligung der Zivilgesellschaft einen Verhaltenskodex festlegen, der an den vorgenannten Grundsätzen ausgerichtet ist. Dieser Verhaltenskodex ist von den Interessenvertretern/innen im Rahmen der Eintragung ins Lobbyregister zu akzeptieren und bei jedem Kontakt gegenüber den Organen, Mitgliedern, Fraktionen oder Gruppen des Deutschen Bundestages oder Bundesregierung transparent zu machen. Diesem Ziel gerecht zu werden, müssen Interessenvertreter/innen

  1. ihre Identität und ihr Anlegen sowie gegebenenfalls die Identität und das Anliegen ihrer Auftraggeber offenlegen,
  2. über sich und ihren Auftrag bei der Interessenvertretung zutreffende Angaben machen. Ausdrücklich sieht das Gesetz vor, dass eine Erfolgsvergütung nicht erlaubt ist. Im Register eingetragene Vertreter/innen können öffentlich die Bezeichnung „registrierte/r Interessen-Vertreter” verwenden.

Fazit

Wer in Zukunft Lobbying betreiben will, muss sich in einem verpflichtenden Register eintragen lassen. Das gilt für Lobbytätigkeiten bei Abgeordneten, Ministern, Staatssekretären, Abteilungsleitern und Unterabteilungsleitern bei Ministerien. Damit ist die Eintragung für jeglichen Kontakt mit den Ministerien gescheitert. Die Frage ist allerdings, ob dies nicht durch die Geschäftsordnungen der Ministerien geregelt werden kann?

Mit dem Lobbyregister wird deutlich, wer im Parlament und den Ministerien Zugang hat. Offen bleibt, zu welchem Thema lobbyiert wird. Einen sogenannten exekutiven Fußabdruck wird es nicht geben, d.h. eine Nachverfolgung, wie und wo Lobbyisten versuchen, auf die Erarbeitung einzelner Gesetze Einfluss zu nehmen.

Kritik aus Verbandssicht

Die Allianz für Lobbytransparenz vertritt die Auffassung, dass Transparenz anders geht. In dieser Allianz setzen sich Transparency Deutschland e.V., der Verband der Chemischen Industrie (VCI), der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV), der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Naturschutzbund Deutschland (NABU) und Die Familienunternehmer gemeinsam für Fairness, Offenheit, Transparenz und Integrität in der politischen Interessenvertretung ein.

Sie betrachten den Gesetzentwurf der Großen Koalition als ein Stückwerk. Zu einem vorbildlichen Lobbyregistergesetz gehört ein verbindlich vorgeschriebener exekutiver Fußabdruck des Gesetzgebungsverfahrens. Zwar soll künftig für Treffen mit Ministerien ein Eintrag ins Lobbyregister nötig sein. Das sei aber zu wenig. Denn ohne einen exekutiven Fußabdruck, der für Bundestag und Bundesregierung gilt, bleiben die Inhalte der Lobbyarbeit auch künftig nicht ausreichend nachvollziehbar. Schließlich stammten fast 80 Prozent der in dieser Legislaturperiode verabschiedeten Gesetze sowie alle Verordnungen aus der Feder der Bundesregierung.

Insgesamt beinhaltet der Gesetzentwurf eine Reihe von Ausnahmen und kann insoweit zu einer ungleichen Behandlung führen. Damit ist zu bezweifeln, ob das Lobbyregistergesetz das eigentliche Ziel einer umfassenden Transparenz erreicht. Das Vertrauen in den politischen Gesetzgebungsprozess beruht auf glaubwürdigen und gleichen Regeln, bei den Interessenvertretern/innen und bei den Abgeordneten.

Die Allianz für Lobbytransparenz hat hierzu bereits 2019 einen Verhaltenskodex vorgelegt. Vielleicht orientiert sich der Deutsche Bundestag daran, wenn er sich anschickt, einen eigenen Verhaltenskodex zur Konkretisierung der Redlichkeit der Lobbyarbeit zu schaffen. Bei der Gelegenheit sollte er dann auch möglichst rasch einen Verhaltenskodex für Abgeordnete aufstellen. Denn deren Maskengeschäfte hätten auch durch das Lobbyregistergesetz nicht verhindert werden können.

 

Autor:
Peter Hahn, Berlin, 19.03.2021