Aktuell: Anlagerichtlinien im Verband

Wichtige Leitplanken für Ihre Verbandsfinanzen

Eine angemessene, risikoadäquate und ertragsoptimierte Anlagestrategie ist – unabhängig von der Größe des Vermögens – die Basis für strukturierte, zielorientierte und nachvollziehbare Anlageentscheidungen. Die Praxis zeigt, dass Investoren hier noch Optimierungspotenziale erschließen können. In diesem Zusammenhang ist vor allem die Formulierung von zeitgemäßen Anlagerichtlinien zu nennen. Schließlich spielen Anlagerichtlinien bei der Strukturierung und Dokumentation der Anlagestrategie eine entscheidende Rolle.

Wozu Anlagerichtlinien?

Die Anlagerichtlinie regelt die grundsätzlichen und strategischen Vorgaben der Anlagepolitik und schafft so die notwendige Klarheit in der Vermögensanlage. Sie dokumentiert das pflichtgemäße Handeln der für die Vermögensanlage Verantwortlichen und ist somit ein probates Instrument zur Gewährleistung eines rechtskonformen und effektiven Anlage- und Risikomanagements. Sie bietet Schutz vor Fehlentscheidungen und bildet den Rahmen für die Delegierung der Verwaltung des Verbandsvermögens an einen externen Vermögensverwalter. Zudem dient die Anlagerichtlinie den zuständigen Gremien als wirksames Instrument für eine effiziente Überwachung und Kontrolle des Vermögensverwalters.

Was gehört in eine Anlagerichtlinie?

Eine gute Anlagerichtlinie setzt sich mit den wesentlichen Entscheidungen der Vermögensanlage auseinander. Darin wird unter anderem festgehalten, welche Rendite erreicht werden soll, welche Anlageklassen eingesetzt werden und in welchen Bandbreiten sich diese bewegen dürfen. Da ein wesentlicher Teil des Risikos und des Anlageerfolges durch die Asset-Allokation bestimmt wird, hat dieser Aspekt besondere Bedeutung.

Die fünf wesentlichen Bestandteile einer Anlagerichtlinie

  • Anlagegrundsätze (Anlageziele und   Anlagestrategie)
  • Anlagegrenzen
  • Nachhaltigkeit
  • Zuständigkeiten
  • Controlling und Berichterstattung

1. Anlagegrundsätze: Ziele der Anlagepolitik beschreiben

Bei der Definition der Anlagegrundsätze kommt es vor allem auf eine hinreichend konkrete Beschreibung der Anlageziele des Verbandes an. Dabei ist es keineswegs ausreichend, wenn sich die Formulierung der Anlageziele in allgemeinen Vorgaben wie „sichere und wirtschaftliche Vermögensanlage“ erschöpft. Vielmehr sollte das Rendite-Risiko-Profil der Anlagestrategie des Verbandes möglichst präzise beschrieben werden.

Ausgangspunkt jeder verantwortungsbewussten Anlagepolitik ist das sogenannte „magische Dreieck“ der Vermögensanlage; es besteht aus den drei Zielen: Liquidität, Sicherheit und Rendite. Jeder Verband muss für sich festlegen, welchen Stellenwert diese miteinander konkurrierenden Ziele haben, und sie entsprechend priorisieren. Dafür ist eine klare Aussage zu folgenden Fragen notwendig: Wie sicher muss das Vermögen angelegt werden und wie viel Ertrag pro Jahr soll damit erwirtschaftet werden? Oder anders ausgedrückt: Welche Ertragserwartung und welche Risikobereitschaft sollen mit der Vermögensverwaltung verbunden sein?

2. Anlagegrenzen: Leitplankenfunktion durch wirksame Beschränkungen

Bei der Definition der Anlagegrenzen ist an alle wesentlichen Steuerungs- und Einflussgrößen des Portfolios zu denken. So sind beispielsweise genaue Vorgaben im Hinblick auf Quoten für bestimmte Anlageklassen oder Anlageinstrumente zu definieren. Auch Vorgaben zur Mindestbonität von Schuldnern, zum maximalen Anteil eines Emittenten, zur regionalen Verteilung der Investments sowie zum erlaubten Fremdwährungsanteil gehören dazu. Ihrer Leitplankenfunktion werden Anlagerichtlinien schließlich nur dann gerecht, wenn sie Anlagegrenzen im Sinne von wirksamen Beschränkungen bei der Vermögensanlage enthalten.

Bei aller notwendigen Konkretisierung der Anlagegrenzen ist allerdings darauf zu achten, dass genügend Spielraum bei der Vermögensanlage bleibt. Es empfiehlt sich der Grundsatz: so viel Konkretisierung wie nötig, so viel Flexibilität wie möglich.

Bei der Ausgestaltung der Anlagegrenzen kann folgende Struktur als Arbeitshilfe herangezogen werden:

  • Anlageklassen
  • Mischungs- und Streuungsvorgaben
  • Ratingvorgaben
  • Einsatz von Fremdwährungen
  • Anlageinstrumente

Anlageklassen

Bei der Definition der Anlagegrenzen kommt den Anlageklassen grundsätzliche Bedeutung zu. Schließlich entscheidet sich hier, in welche liquiden und illiquiden Anlageformen der Verband investieren darf. In Betracht kommen insbesondere Investments in Aktien, Renten, Immobilien sowie alternative Investments.

Im Zusammenhang mit der Definition von zulässigen Anlageklassen kann es ratsam sein, über eine sogenannte Öffnungsklausel nachzudenken. Sie ermöglicht es dem Verband, in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des Vermögens in Assetklassen zu investieren, welche die Anlagerichtlinie nicht explizit vorsieht. Dies schafft die notwendige Flexibilität in einem sich permanent verändernden Kapitalmarktumfeld.

Im nächsten Schritt geht es um die Bestimmung der optimalen strategischen Asset-Allokation durch Regelungen zur Mischung und Streuung des Vermögens.

Mischungs- und Streuungsvorgaben

Eine breite Diversifikation des Portfolios durch eine konsequente Mischung der Vermögensanlagen soll – durch einen Risikoausgleich zwischen den verschiedenen Anlagen – anlagetypische Risiken begrenzen und so die Sicherheit des investierten Vermögens mit gewährleisten. So ist in diesem Zusammenhang beispiels-
weise der maximale Aktienanteil des Anlageportfolios festzulegen.

Streuung bedeutet die zur Risikodiversifizierung gebotene Verteilung der Anlagen auf verschiedene Schuldner. Unabhängig von der konkreten Anlageform sind Konzentrationen bei einzelnen Schuldnern zu vermeiden, indem auf ein und denselben Emittenten nur ein definierter Prozentsatz des Vermögens entfallen darf. Auch eine Konzentration von Aktien auf eine bestimmte Branche oder wenige verwandte Branchen sollte vermieden werden. Einzubeziehen in die Prüfung der Angemessenheit der Streuung sind sämtliche Risiken, die sich durch Länder-, Branchen-, Adressenausfall- und Konzentrationsrisiken ergeben können.

Ratingvorgaben

Für festverzinsliche Titel ist auf jeden Fall an qualitative Limitierungen zu denken. Die Risiken einer Anleihe sind in erster Linie von ihrer Bonität abhängig. Je schlechter das Rating, desto höher die Ausfallwahrscheinlichkeit.  In der Praxis finden sich daher oft Vorgaben zur Mindestbonität von Schuldnern. Dabei ist zu entscheiden, wie mit Unterschieden verschiedener Ratingagenturen umgegangen wird und was bei Herabstufungen unter den Mindeststandard zu geschehen hat.

Einsatz von Fremdwährungen

Neben einer ausgewogenen Verteilung des Vermögens auf verschiedene Anlageklassen und Schuldner sollte auch eine Aussage zum maximalen Fremdwährungsanteil getroffen werden. Was den Umfang von Fremdwährungsanlagen am Vermögen betrifft, gilt der Grundsatz: Je höher das Sicherheitsbedürfnis des Verbandes, desto niedriger sollte der Fremdwährungsanteil der Anlagen sein.

Anlageinstrumente

Eine weitere Frage, die im Zusammenhang mit der Umsetzung der Anlagestrategie geklärt werden sollte, ist die nach den zulässigen Anlageinstrumenten. In Betracht kommen sowohl Direkt- als auch Fondsanlagen. Ohne Investmentfonds ist eine effiziente Steuerung und breite Diversifizierung des Anlageportfolios über möglichst viele verschiedene Anlageklassen kaum denkbar. Eine Anlagerichtlinie mit zu strengen Vorgaben kann den optimalen Einsatz von Investmentfonds unter Umständen erschweren. Deshalb ist es sinnvoll, die Bewegungsfreiheit bei Themen wie Fremdwährungen, Nutzung von Derivaten oder Anleihen schlechterer Bonität nicht zu sehr einzuschränken.

3. Nachhaltigkeit: Negativ- & Positivkriterien definieren

Immer mehr Investoren verankern das Thema Nachhaltigkeit als feste Größe in der Anlagerichtlinie. Bei der Integration von ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) wird definiert, welche Branchen und Emittenten aus ethischen Gründen nicht ins Portfolio gehören und in welche Branchen und Emittenten bevorzugt investiert wird.

Mit dem Einsatz von Negativkriterien werden Unternehmen vom Investment ausgeschlossen, die ihr Geld mit kontroversen Produkten verdienen, z. B.  dem Abbau von Kohle, oder durch ein kontroverses Geschäftsverhalten, beispielsweise die Verstrickung in Arbeits- oder Menschenrechtsverletzungen, auffallen. Durch Positivkriterien werden Emittenten identifiziert, die Nachhaltigkeitsanforderungen besonders gut erfüllen.

Bei der Auswahl von Aktien und Unternehmensanleihen wird dabei häufig der sogenannte Best-in-Class-Ansatz angewendet. Das damit verfolgte Ziel: die Nachhaltigkeitsleistungen der Unternehmen umfassend zu bewerten und innerhalb der einzelnen Branchen die Unternehmen zu identifizieren, die sich in besonderem Maße für eine nachhaltige Entwicklung engagieren bzw. am besten mit den nachhaltigkeitsbezogenen Risiken und Chancen umgehen. In der Praxis kombinieren viele Investoren den Best-in-Class-Ansatz mit Ausschlusskriterien.

4. Zuständigkeiten: Wer ist wofür verantwortlich?

Unter diesem Punkt sind die Kompetenzen, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zu klären. Eine klare Aufgabenverteilung erleichtert die Arbeit in der Praxis und fördert so letztlich auch den Anlageerfolg: Wer ist für die Entwicklung der Anlagestrategie und Aufstellung der Anlagerichtlinien verantwortlich? Wer genehmigt die Anlagerichtlinie? Wer beschließt Änderungen der Anlagerichtlinie? Wer übernimmt die Kontrollfunktion? Wie wird die Vermögensverwaltung umgesetzt?  Was kann der Verband intern leisten und welche Aufgaben sollen von einem externen Dienstleister übernommen werden?

5. Controlling/Berichterstattung: Vertrauen ist gut, Kontrolle besser

Zu einer professionellen Vermögensbewirtschaftung gehört auch eine wirksame Kontrolle, z.B. die laufende Überwachung des beauftragten Vermögensverwalters im Hinblick auf die Einhaltung der Anlagerichtlinien, aber auch die Dokumentation seines Anlageerfolgs.  Die Überwachung des Vermögensverwalters  obliegt den für die Vermögensanlage Verantwortlichen. Überwachung, Kontrolle und Berichterstattung sind Teil eines systematischen Investment-Controllings, das nicht zuletzt aus Haftungsgründen auf einen unabhängigen Dienstleister übertragen werden sollte.

Auch die Berichterstattung sollte geregelt sein, z. B. in welchen Zyklen der oder die beauftragten Vermögensverwalter die verantwortlichen Gremien des Verbandes über die aktuelle Entwicklung der Vermögensanlage zu unterrichten haben. Ob quartalsweise oder halbjährliche Reports angemessen sind, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalles. Sinn und Zweck der Berichterstattung ist in jedem Fall, einen vollständigen, präzisen und schnellen Überblick zu gewinnen über die investierten Assetklassen, den Beitrag dieser Assetklassen zum Anlageerfolg, die Ratingstruktur oder das Fremdwährungs-Exposure.

Zusammenfassung

Die konkreten Regelungen der Vermögensanlage eines Verbandes sollten in einer Anlagerichtlinie fixiert werden. Die Praxis zeigt, dass dabei die Beratung durch unabhängige Experten empfehlenswert ist. Vorausschauend formuliert, wird die Anlagerichtlinie ihrer strategischen Bedeutung gerecht und muss nur bei wesentlichen Änderungen des Kapitalmarktumfeldes angepasst werden. Nicht zu vergessen: Die Anlagerichtlinien sollten zum verbindlichen Bestandteil des jeweiligen Vermögensverwaltungsvertrages gemacht werden, wenn Dritte mit der Vermögensverwaltung beauftragt werden.

Für die Vergabe der Vermögensverwaltung an einen professionellen Partner spricht regelmäßig die für einen nachhaltigen Anlageerfolg erforderliche Professionalisierung der Vermögensanlage. Daneben erleichtert die Vergabe eines Verwaltungsmandates an externe Berater die Einhaltung der Anlagerichtlinie durch ein wirksames Kontrollsystem.

Muster-Anlagerichtlinie (nur im PDF)

Die tabellarische Übersicht dient der beispielhaften Illustration der wesentlichen Kategorien einer Anlagerichtlinie. Die in der Spalte „Beispiel“ genannten Inhalte haben lediglich exemplarischen Charakter und sind nicht aufeinander abgestimmt. Sie stellen auch keine Empfehlung dar.

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