Wie in jedem Jahr hat der Verbändereport die Verbandsgeschäftsführer/-innen aus dem Kreis der Deutschen Gesellschaft für Verbandsmanagement (DGVM) zu ihren Einschätzungen für das Verbandsjahr 2022 befragt.

2022 ist ein Jahr mit vielen Fragezeichen, damit lässt es sich wohl zusammenfassend gut beschreiben. Dabei waren die Erwartungen hoch. Denn im Vorjahr konnten die Verbände der Ausnahmesituation „Corona“ auch durchaus Positives abgewinnen: Die schnelle Digitalisierung beflügelte die Verbandsarbeit, Online-Meetings und Homeoffice wurden in der Verbandskultur fest verankert und brachten oftmals frischen Schwung in Themen und Abläufe. Die Zeit wurde also bestens genutzt, um anschließend durchstarten zu können.

Aber wer hatte erwartet, 2022 weiterhin vor den gleichen Fragestellungen zu stehen? Eine Pandemie, die nicht enden will, flankiert von mittlerweile verstetigten Themen wie Energieverteuerung, Lieferkettenproblemen und Fachkräftemangel. Dazu kommen neue Herausforderungen durch ein geschärftes Bewusstsein rund um Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Themenkomplexe, die auch durch die neue Bundesregierung immer mehr an Bedeutung gewinnen werden.


Und plötzlich herrscht Krieg in Europa. Fassungslos schauen wir auf das Geschehen in der Ukraine. Ein Krieg, der uns alle angeht und dessen Auswirkungen für jeden Einzelnen von uns spürbar sein werden.

Wie aussagekräftig kann vor diesem Hintergrund der Ausblick auf das Verbandsjahr 2022 sein? Klar ist, vom Sozial- bis zum Wirtschaftsverband leisten aktuell alle ihren Beitrag, damit wir gut durch diese schwierigen Zeiten kommen. Jeder Verband wird dabei mit Fragestellungen und Entwicklungen konfrontiert, die vor wenigen Wochen noch gar nicht vorstellbar waren, und die Dynamik nimmt weiter zu.

Bei der Auswertung der Antworten zu den Zielsetzungen und Erwartungen an das Verbandsjahr 2022 haben wir uns deshalb auf die neutralen, verbandsübergreifenden Felder konzentriert und verbandspolitische Themen weitgehend ausgelassen. Man möge uns dies bitte nachsehen, aber es schien uns einfach nicht passend.

Trends und Herausforderungen für die Verbandsarbeit im Jahr 2022, Befragung von DGVM-Mitgliedsverbänden, Mehrfachnennungen

Welche Ziele setzen Sie sich in der Verbandsarbeit für 2022?

Unsere Positionierung als „One Stop Shop“ für Services und Know-how innerhalb der Franchisewirtschaft in Deutschland haben wir sukzessive ausbauen können. Gleiches gilt für die Community, steigende Mitgliederzahlen (über 40 Prozent in den letzten fünf Jahren) sind das Ergebnis. Diesen Kurs werden wir fortsetzen und weiter verstetigen.
Torben Leif Brodersen, Geschäftsführer Deutscher Franchiseverband e. V.
Die verfolgte Zielsetzung für 2022 ist ein weiterhin kontinuierlicher Mitgliederzuwachs. Bestehende Arbeitskreise müssen inhaltlich attraktiv gestaltet werden, neue Arbeitskreise werden initiiert und neue Dienstleistungen für Mitglieder und Nichtmitglieder müssen geschaffen werden.
Dr. Elmar Witten, Geschäftsführer AVK - Industrievereinigung Verstärkte Kunststoffe e. V.
Nach zwei Jahren digitaler Kommunikation ist es nun immens wichtig, unsere ehrenamtlichen wie hauptberuflichen Leistungsträger wieder in persona zusammenzubringen. Wir müssen im persönlichen Miteinander wieder die Freude an der Gemeinsamkeit, an gemeinsamen Zielen und gemeinsamen Projekten erleben lernen.
Andreas Mohr, Geschäftsführer Sektion Oberland des deutschen Alpenvereins e. V.
Wir werden in 2022 unseren – durch die Pandemie etwas in Verzug geratenen – groß angelegten Strategieprozess zum Ziel führen: Nach einigen Workshops mit externen und internen Zielgruppen werden wir im Mai in einer Großgruppenveranstaltung mit max. 200 Personen (Mitglieder und Mitarbeiter*innen) Zielstellungen für den Verband festlegen, die anschließend in einer Strategie für einen mittelfristigen Zeitraum münden.
Dirk Günther, Geschäftsführer Deutscher Hebammenverband e. V.
Wir planen im September 2022 die Bunsen-Tagung, die wichtigste Tagung der DBG, in Präsenz durchzuführen, und sind optimistisch, dass es klappt. Das wird nach zwei Jahren nur mit Online-Meetings auch das Verbands-Highlight 2022 sein.
Dr. Elisabeth Kapatsina, Geschäftsführerin Deutsche Bunsen-Gesellschaft für physikalische Chemie e. V.
Wir treffen uns persönlich – bei den Frühjahrstagungen, auf dem ZZF-Forum, beim Parlamentarischen Abend, bei der Interzoo und bei der Mitgliederversammlung.
Gordon Bonnet, Geschäftsführer Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands e. V.
„Der Restart ist in Planung. Die Mitglieder wünschen sich den persönlichen Austausch, das ist auch für die Entwicklung der Branche wichtig. Gleichwohl werden digitale Formate ihre Relevanz behalten. Es gilt einen sinnvollen Mix zu finden.“
Dr. Sabine Eichner, Geschäftsführerin Deutsches Tiefkühlinstitut e. V.
Wir hatten bereits im Herbst 2021 wieder ein großes Präsenztreffen und sehen uns in der Lage, auch vor dem Pandemiehintergrund eine neue Normalität zu schaffen – eben mit Abstand und etwas Umplanung. Aber es geht und ist, wie die letzten 20 Monate gezeigt haben, einfach unverzichtbar. Digitalisierung hin oder her.
Susanne Müller, Geschäftsführerin Bundesverband Medizinische Versorgungszentren MVZ e. V.
Tarifverhandlungen, Mitgliederversammlung und Verbandsjubiläum sollen wieder in Präsenz stattfinden.
Jürgen Funk, Geschäftsführer Kommunikation und Politik Arbeitgeberverband Chemie u. verwandte Industrien für das Land Hessen e. V.

Die ausdrückliche Hinwendung zum Mitglied und zu seinen Bedürfnissen – dieser Trend ist bei allen Befragten offensichtlich und in den Antworten klar zu verzeichnen. Nachdem die vergangenen zwei Jahre intensiv genutzt wurden, um den verbandlichen Maschinenraum zu digitalisieren, steht jetzt die Arbeit für und mit den Mitgliedern ausdrücklich im Mittelpunkt der Zielsetzung.

So plant Dagmar Altena für den Verband Deutsche Nierenzentren (DN) e. V., den „Markenkern“ des Verbands und die Sichtbarkeit gegenüber den Mitgliedern zu stärken.

Die Dachgesellschaft Deutsches Interim Management e. V. (DDIM e. V.) wird dazu ihr Leitbild überarbeiten. Geschäftsstellenleiter Michael Stechert kündigt an: „Wir planen ein Review unseres Leitbildes mit den Kernfragen ‚Wer sind wir?‘ und ‚Wo wollen wir hin?‘. Daraus leiten sich dann Kampagnen, Aufgaben und Aufträge an den Vorstand und die Geschäftsstelle ab.“

Tina Palme, Head of Business and Corporate Functions, vom Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e. V., formuliert es kurz und prägnant: „Mit einem neuen Außenauftritt wollen wir wieder mehr Präsenz zeigen und das Netzwerk zum Leben erwecken.“

Um das wirkungsvoll zu tun, plant Christiane Schillig vom Verband der Restauratoren (VDR) auch den Ausbau von Mitgliederservices sowie Coachings, die zu einem „Empowerment der Ehrenamtlichen“ führen sollen.

Digital bleibt – Präsenz kommt zurück: Die Verbandsevents 2022

Um diese Ziele mit und im Sinne der Mitglieder umsetzen zu können, deuten die Zeichen für 2022 auch ganz klar wieder in Richtung Präsenzveranstaltungen. Bei vielen Verbänden hat sich das digitale Miteinander auf Arbeitsebene dauerhaft etabliert, für die Hauptversammlungen und Kongresse hoffen aber ausnahmslos alle Verbände auf die Rückkehr von Liveevents. Es wächst die Sehnsucht nach dem persönlichen Austausch.

„Bei der Veranstaltungsplanung (Arbeitskreise, Seminare) merkt man den expliziten Wunsch der Mitglieder (und Nichtmitglieder), sich nach Möglichkeit persönlich zu treffen. Wir ermöglichen dies momentan durch das Angebot sämtlicher Veranstaltungen vor Ort, unter Ergänzung von Online-Teilnahmen (Hybridveranstaltung)“, berichtet Elmar Witten, Geschäftsführer des AVK.

Auch Torben Brodersen blickt zuversichtlich nach vorne: „Es werden viele digitale Meetings sein, aber auch unsere Jahrestagung (das Franchise Forum) mit 250 Gästen in Präsenz. Darüber hinaus werden Meetings vor Ort bei den Mitgliedsunternehmen stattfinden. Und nicht zuletzt unsere Franchisemesse im November in Frankfurt, ebenfalls klassisch analog.“

Damit liegt er voll im Trend – alle befragten Verbände wollen digitale Angebote fortführen, aber Treffen in Präsenz scheinen unverzichtbar. Der veranstaltungsaktive BME setzt ebenfalls wieder klar auf persönliche Begegnungen: „Für 2022 haben wir unsere großen Veranstaltungen und auch die Mitgliederversammlung wieder in Präsenz geplant“, so Tina Palme.

Letztlich haben alle Eventformate ihre Vor- und Nachteile. „Am Ende macht es der Mix – im Übrigen konnten wir unsere Reichweite innerhalb der Mitgliedsunternehmen durch das digitale Angebot erheblich ausweiten. Allein im Jahr 2021 haben wir über 70 Veranstaltungen durchgeführt“, resümiert Torben Brodersen.

Nachhaltigkeit und Klimaschutz im Aufwind

Wer Veranstaltungen durchführt, sieht sich immer öfter mit den Fragen nach Klimaschutz und Nachhaltigkeit konfrontiert. Beides hat sich im Bewusstsein fest manifestiert. Green Events sind schon seit Jahren ein Thema, führten bislang aber oft ein belächeltes Schattendasein. Das dürfte vorbei sein. Auswirkungen hat das ebenfalls auf die Geschäftsstelle: Auch hier muss das richtige Maß gefunden werden. Ein ressourcenschonender Einsatz für den Verband, die Mitglieder und die Branche ist oftmals bereits verbriefter Teil der Verbandsstrategie. Gerade dann, wenn sich auch die Mitglieder mit diesen Fragestellungen intensiv auseinandersetzen.

„Der Schutz der Natur und Umwelt ist essenziell und wird tatsächlich gelebt“, bestätigt Ulrike Sebastian, Leiterin der Geschäftsstelle des Deutschen Modellflieger Verbands.

Welche Rolle spielen Klimaschutz und Nachhaltigkeit in ihrem Verband?

Als anerkannter Naturschutzverband sind Umweltschutz, Klimaschutz und Nachhaltigkeit für uns Programm. Wir haben den Bereich in den letzten Jahren personell stark ausgebaut, um vom zähen Reagieren in eine aktive zukunftsweisende Rolle zu kommen. Unser Ziel ist es, unseren Verein klimaneutral erfolgreich weiterzuentwickeln. Dabei müssen wir von der momentan v. a. kompensationsgetriebenen Klimaneutralität dazu übergehen, zukünftig durch Verhaltensänderungen Emissionen zu reduzieren und zu vermeiden. Unser Dualismus aus Naturschutzverband und gleichzeitig die Natur nützen­dem Verein führt zu der Herausforderung, den vermeintlichen Zielkonflikt zwischen Bergsport, Natur- und Umweltschutz sowie Nachhaltigkeit zu lösen.
Andreas Mohr, Geschäftsführer Sektion Oberland des deutschen Alpenvereins e. V.
Schon seit Jahren haben immer mehr unserer Mitglieder Nachhaltigkeitsberichte publiziert und auch auf verschiedenen Ebenen Klimaschutz-Aktivitäten entfaltet. Das Gute am Franchise ist in diesem Kontext, dass sich Effekte über das ‚Ausrollen‘ in Partnerbetrieben multiplizieren lassen. Besondere Leistungen in dieser Richtung zeichnen wir seit zehn Jahren mit dem Green Franchise Award aus.
Torben Leif Brodersen, Geschäftsführer Deutscher Franchiseverband e. V.
Die Bedeutung für unsere Roh- und Baustoff produzierenden Unternehmen ist deutlich gewachsen, insbesondere für die Branchen, die prozessbedingt einen hohen CO2-Ausstoß verursachen (Zement- und Kalkindustrie). Aber auch die Einstellung zur Bedeutung von Sekundärrohstoffen (z. B. RC-Gesteinskörnungen) hat sich deutlich gewandelt.
Dr. Bernhard Kling, Geschäftsführer Bayerischer Indus­trieverband Baustoffe, Steine und Erden e. V. (BIV)
Nachhaltigkeit und Klimaschutz waren und sind für die Tiefkühlwirtschaft von hoher Bedeutung. Mit der Erstellung von Klimabilanzen haben wir bereits vor zehn Jahren begonnen. Unsere Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Einrichtungen setzen wir stetig fort und legen in diesem Jahr einen Schwerpunkt auf die Klimapolitik. Damit geben wir unseren Mitgliedern eine wichtige Unterstützung.
Dr. Sabine Eichner, Geschäftsführerin Deutsches Tiefkühlinstitut e. V.
Für einen Fachverband für Werkstoffe (Faserverstärkte Kunststoffe) ist das Thema Nachhaltigkeit eine der wichtigsten strategischen Ausrichtungen. Es gibt national und europaweit dazu einige Aktivitäten in Arbeitskreisen, in der Zusammenarbeit mit anderen Organisationen und im Schulterschluss mit der Politik.
Dr. Elmar Witten, Geschäftsführer AVK – Industrievereinigung Verstärkte Kunststoffe e. V.

Die Herausforderungen sind mannigfaltig, die Rahmenbedingungen ungewiss. Welche Erfolgsfaktoren gibt es für die Verbandsarbeit 2022?

Blickt man auf die Statistik der sechs aktuellen Verbandstrends 2022 im Vergleich zu den vergangenen Jahren, so fällt auf, dass alle als besonders „wichtig“ bewerteten Themen in diesem Jahr fast gleichrangig bewertet werden. Die Marken- und Profilschärfung sowie der weitere Ausbau der Digitalisierung liegen nahezu gleichauf mit der Verbandskommunikation und den Services. Dicht gefolgt vom Aufsteiger Nachhaltigkeit und dem Dauerthema Lobbying.

Die Verbände scheinen auf diese Themen gut vorbereitet.

Gibt es ein Rezept für erfolgreiche Verbandsarbeit in 2022?

Um im Bild zu bleiben, bedarf es entweder eines umfangreichen Rezeptes mit vielen Zutaten oder mehrerer kleinerer Rezepte: eines klaren Kompasses (Ziele, Selbstverständnis, politische Forderungen, Kompetenzen), eines wertschätzenden Miteinanders und des Sichtbarmachens einer starken Arbeitgebermarke.
Dirk Günther, Geschäftsführer Deutscher Hebammenverband e. V.
Trotz coronabedingter Einschränkungen im Kontakt mit den Mitgliedern das Ohr eng an den Mitgliedern haben, um kurz­fristig und flexibel auf die Pro­blem­stellungen in der Praxis gegenüber Politik und Verwaltung reagieren zu können.
Dr. Bernhard Kling, Geschäftsführer Bayerischer Industrieverband Baustoffe, Steine und Erden e. V. (BIV)
Überblick, Mut und eine klare Zielformulierung.
Christian Götsch, Geschäftsführer Swinging World e.V.
Es gibt keine Rezepte. Wichtig sind Zuverlässigkeit, Qualität und Offenheit für neue Entwicklungen.
Jürgen Funk, Geschäftsführer Kommunikation und Politik Arbeitgeberverband Chemie u. verwandte Industrien für das Land Hessen e. V.
Den Mitgliedern gut zuhören und die Herausforderungen von morgen vordenken.
Gordon Bonnet, Geschäftsführer Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands e. V.
Weiter offen und ehrlich kommunizieren, ein offenes Ohr für die Probleme der Mitglieder haben und stets im Sinne der Mitglieder agieren.
Michael Stechert, Geschäftsstellenleiter Dachgesellschaft Deutsches Interim Management e. V. (DDIM e. V.)
Jeden dazu ermuntern, etwas beizutragen, und jeden Beitrag ernst nehmen.
Franz Grömping, Geschäftsführer Arbeitgeberver­einigung für Unternehmen aus dem Bereich EDV und Kommunikationstechnologie e. V. (AGEV)
Viel persönliches Engagement aller Mitarbeiter und Ehrenamtler plus ein tiefes Verständnis für die praktischen Herausforderungen, vor denen die Mitglieder stehen und zu deren Lösung wir unser Scherflein beitragen können.
Susanne Müller, Geschäftsführerin Bundesverband Medizinische Versor­gungszentren MVZ e. V.
Gemeinsamkeit stärken, Digitalisierung voran, aber nicht übertreiben und all die Ideen umsetzen, die wir die letzten zwei Jahre entwickelt haben – in gemeinsamer Augenhöhe zwischen Hauptberuf und Ehrenamt.
Andreas Mohr, Geschäftsführer Sektion Oberland des deutschen Alpenvereins e. V.
Wie immer: ein enger Austausch mit den Mitgliedern – klare strategische Ziele und passgenaue Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele.
Dr. Sabine Eichner, Geschäftsführerin Deutsches Tiefkühlinstitut e. V.

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